, Jurt Thomas

«Ehrenamtliche Sportvereine leisten enorm viel für die Gesellschaft»

Zum Abschluss vom 70- jährigen Jubiläumsjahr möchte sich der FC Gunzwil bei der ganzen Fangemeinde, den fleissigen Helfer und bei allen Mitgliedern herzlich bedanken für dieses unglaubliche Jahr. Anfang Jahr hätte wohl niemand gedacht, dass wir ein solches Jahr zusammen erleben dürfen. Zum Ende der Serie äussert sich der Präsident Samuel Stocker zum Jubiläumsjahr, Zusammenhalt, Herausforderungen und dem Wert von Sportvereinen für die Gesellschaft.

Interview Samuel Stocker, geführt von Thomas Jurt.
 
 
TJ: 2023 war ein ereignisreiches Jahr das wohl alle Erwartungen übertroffen hat, wenn du an den Anfang des Jahres zurückdenkst, was habt ihr euch für das Jubiläumsjahr vorgenommen?
 
Wir haben die Feierlichkeiten bewusst auf verschiedene Events verteilt. Das Ziel war es, dass die Anlässe ein Abbild unseres Vereins sind. Deshalb gab es nicht einfach eine Jubiläumsparty, sondern wir versuchten, die verschiedenen Facetten des FCG an unterschiedlichen Events zu präsentieren. Eines der Hauptanliegen war, auch die Bevölkerungsteile aus der Region zu erreichen, welche nicht wöchentlich auf unseren Sportplätzen anzutreffen sind. Ich denke, das ist uns gut gelungen. Weiter war es uns wichtig, bei unseren jungen Mitgliedern unsere Werte und Traditionen näher zu bringen. Woher kommen wir, wie wurde aus dem FCG der Verein, der er heute ist.
 
TJ: Und jetzt, mitte Dezember, wie schaust du auf das Jahr zurück?
 
Nun, die geplanten Events sind eigentlich alle so gelaufen wie erhofft. Ich denke, wir konnten unser Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und wir sind heute noch mehr eine «Familie» als vor einem Jahr. Was selbstverständlich nicht auf dem Plan war, waren die ganzen Erfolge der ersten Mannschaft mit Aufstieg, Cupsieg und Schweizer Cup gegen den FC Lugano. Das war natürlich unglaublich und hat das Jubiläumsjahr auch noch zu einem der sportlich erfolgreichsten Jahre der Vereinsgeschichte gemacht. Es war ein extrem intensives Jahr, für den Vorstand, aber vor allem auch für die Mitglieder, Mitgliederinnen und Funktionäre. Sie mussten viele Extraschichten an den geplanten und ungeplanten Events leisten. Als dann (erfreulicherweise) noch der FC Lugano im Schweizer Cup zugelost wurde, fragte ich mich im ersten Moment schon, wie wir das noch stemmen sollen. Ich hatte fast ein bisschen ein schlechtes Gewissen gegenüber den Mitgliedern, den wir wussten ja aus dem letzten Aufeinandertreffen im Jahr 2016, was jetzt zusätzlich noch auf uns zukommen würde.
 
TJ: Wie haben die Mitglieder reagiert?
 
Eigentlich unglaublich, und diese Reaktionen waren für mich die persönlichen Highlights aus dem Jubiläumsjahr. Innerhalb von nur 6 Stunden nach der Auslosung hatten wir ein OK von 18 Personen zusammen, welche ohne zu zögern zugesagt haben. Damit hätte ich, nach den ganzen Events im ersten Halbjahr 2023, nicht gerechnet. Beim Auf- und Abbau sowie am Anlass selbst waren über 200 Mitglieder im Einsatz, so trug fast jeder vom FCG seinen Teil zu diesem Anlass bei.
 
TJ: Man hört munkeln, dass der FCG seit dem Spiel gegen Lugano eine neue Fangemeinde aus dem Tessin hat?
 
Ich denke, die Luganesi haben gespürt, wie viel Leidenschaft in unserem Verein steckt. Wir sind nach wie vor in Kontakt mit dem FC Lugano und auch viele Tifosi folgen uns auf Social Media und interagieren mit unseren Posts. So gesehen, kann man vielleicht schon von einer kleinen Fangemeinde sprechen, es ist sicher eine Freundschaft zwischen den Vereinen entstanden. Sie haben uns, falls sie sich für den Cupfinal qualifizieren, bereits ins Stade de Suisse zum Endspiel eingeladen. Selbstverständlich laden wir Renato Steffen und Co. dann auch zum Innerschweizer Cupfinal ein, sollten wir uns erneut qualifizieren. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Fanliebe aus dem Tessin für eine Reise zum IFV Cupfinal reicht (lacht).
 
TJ: Was nimmst du aus dem Jubiläumsjahr mit?
 
Viele schöne Erinnerungen und die Erkenntnis, dass der Zusammenhalt in unserem Verein noch grösser ist als ich gedacht habe, über viele Generationen hinweg. Das Wort Familie ist bestimmt keine Floskel in Zusammenhang mit dem FCG.
 
TJ: Du wirst nicht Müde, den Wert des Vereins für die Gesellschaft zu betonen. Wie meinst du das?
 
Ich bin überzeugt, dass der FCG und auch alle anderen ehrenamtlichen Sportvereine enorm viel Leisten für die Gesellschaft. Damit meine ich nicht, dass wir Fussballer ausbilden. Ich meine damit, dass Kinder- und Jugendliche bei uns 2-3x pro Woche für einen verhältnismässig kleinen Jahresbeitrag von 120-320 Franken betreut werden. Rechnet man den Jahresbeitrag auf die Stunde, die Junioren und Juniorinnen von unseren Trainern gecoacht werden, kommt man auf etwa 1.50 Franken. Weiter lernen sie bei uns, sich in einer Gruppe zu integrieren, mit Siegen und Niederlagen umzugehen und dass ein Verein, wie auch die Gesellschaft, nicht funktioniert, wenn jeder nur an sich denkt. Wenn sie dann junge Erwachsene sind, können sie sich bei uns als Trainer oder Funktionär engagieren und so schon früh lernen, was es heisst, Kinder für etwas zu begeistern und mit Verantwortung umzugehen. Ich denke das bringt sie privat wie auch beruflich weiter. Diese Leistungen für die Gesellschaft sind zwar nicht bezifferbar, aber es bedarf wohl keiner grossen Vorstellungskraft, sich auszumalen, was die gleiche Leistung kostet, wenn dies nicht durch ehrenamtlich organisierte Vereine gemacht würde. Vor allem aber auch, wer würde es überhaupt tun?
 
TJ: Du glaubst, es wird zu wenig wertgeschätzt, was Sportvereine tun?
 
Nein, ich denke es ist vielen einfach nicht bewusst, oder man sieht zu wenig hinter die Kulissen, um zu verstehen, was alles dahinter steckt. Ich meine, wir haben über 300 Junioren und Juniorinnen und 130 Erwachsene, die von knapp 60 Trainern betreut werden. Die Infrastruktur wie Plätze, Clubhaus und Garderoben wird von uns unterhalten und bewirtschaftet. Zusammen mit dem Vorstand und den verschiedenen Kommissionen sind bei uns 115 Funktionäre im Einsatz. 115 Personen, die in Ihrer Freizeit für den Verein arbeiten und dafür im besten Falle eine geringe Spesenentschädigung erhalten. Trotzdem reicht der Jahresbeitrag bei weitem nicht, die Kosten für den Spielbetrieb zu decken. Ein Mitglied kostet uns im Jahr zwischen 800 und 900 Franken.
 
TJ: Das ist ja ein Mehrfaches des Jahresbeitrags. Wie wird dieses Defizit gedeckt?
 
Mit den Beiträgen der Gemeinden Beromünster und Rickenbach, von Jugend und Sport sowie der Sportförderung können wir rund 35% des Defizits abdecken, weitere 50% kommen von unseren Sponsoren und Gönnervereinigungen und die restlichen 15% erwirtschaftet unser Clubhaus-Team.
 
TJ: Du hast mal berechnet, was der FC Gunzwil mit einer professionellen Entschädigungsstruktur für Lohnkosten hätte…
 
Würden die Funktionäre, Trainern und Trainerinnen nicht ehrenamtlich arbeiten, sondern würden mit einem in der Privatwirtschaft vergleichbaren Lohn entschädigt werden, läge der Jahresbeitrag im Durchschnitt bei über 2'000 Franken.
 
TJ: Nebst den Finanzen, welche Herausforderungen hat der FCG in den nächsten Jahren noch zu bewältigen:
 
Dank dem stetigen Zuwachs im Juniorenbereich verzeichnen wir ein enormes Wachstum. Leider können wir aktuell keine neuen Junioren mehr aufnehmen, weil uns schlichtweg der Platz fehlt. Wir benötigen dringend zusätzliche Spielflächen und hoffen, mit der Gemeinde Beromünster bald eine Lösung zu finden, welche wir weiterverfolgen können. Zudem sind wir natürlich immer mit der Suche von ehrenamtlichen Trainern und Funktionären beschäftigt. Eine grosse Herausforderung ist auch, dass unsere Plätze in einem Wohngebiet liegen, was natürlich zu Interessenskonflikten führt. Wir verstehen die Anwohnerinnen und Anwohner und versuchen, im Dialog zu sein, sofern dieser gewünscht ist. Es ist mir bewusst, dass wir nicht der angenehmste Nachbar sind, wir würden auch lieber niemanden stören, aber die Fussballplätze sind halt dort, wo sie sind. Da das auch in Zukunft so sein dürfte, hoffe ich weiterhin auf gegenseitiges Verständnis und Wohlwollen, auch von unseren Mitgliedern und Matchbesuchern gegenüber unseren Nachbarn.
 
TJ: Es ist und bleibt also herausfordernd. Du bist seit 2016 Präsident, wie hat sich der Verein in den letzten Jahren entwickelt?
 
Ich denke, die Mitglieder und Eltern der Junioren sind sich heute bewusster, was es alles benötigt, damit der Verein funktioniert. Ich spüre ein grösseres Interesse am Verein an sich als noch vor einigen Jahren und auch die Bereitschaft mitzuhelfen ist da, erfreulicherweise auch bei den jungen Erwachsenen. Wir versuchen aufzuzeigen, warum wir uns engagieren und warum nicht nur der sportliche Erfolg entscheidend ist. Ich glaube es ist uns gelungen, alle Generationen zu verbinden. Wenn ich an die OK Mitglieder im Jubiläumsjahr, die Helfer beim Kabinenneubau oder die zahlreichen Funktionäre denke, ist jede Generation gut vertreten und man kennt sich. Ein gutes Vereinsleben ist das wichtigste, das Umfeld und das Vereinsklima muss stimmen, der Erfolg entsteht daraus, egal ob auf oder neben dem Platz.
 
TJ: Wo siehst du den Verein in 20 Jahren?
 
Ich hoffe, in einem ähnlichen Rahmen wie heute. Natürlich müsste die Infrastruktur aufgepeppt sein, aber ansonsten soll es nach wie vor der familiäre Verein sein wie wir es heute sind, mit Vielen, die sich mit Leidenschaft engagieren und im Interesse des Vereins handeln. Ohne Schnick schnack, mit intaktem Vereinsleben, verschiedenen Generationen und einem positiven Beitrag für die Region.